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05.05.2021

"Nur was man mit Begeisterung macht, macht man gut!" - Interview mit Prof. Sandmann

Dr. Gunther Sandmann ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie an der Sportklinik Ravensburg, international anerkannter Experte im Bereich der Schulter- und Ellenbogenchirurgie und mit Begeisterung in der Lehre tätig. Nun wurde er in Anerkennung seiner Leistungen von der Eberhard Karls Universität Tübingen zum Professor ernannt.  

Es war ein langer Weg, sagt er. Aber einer, der sich gelohnt hat. Und wie dieser Weg ausgesehen hat, was ihm besondere Freude am Unterrichten bereitet und wohin ihn seine Reise noch führen wird, erzählt er uns hier.

Interview mit Prof. Sandmann

Herr Sandmann, eine wichtige Frage vorab: War es für Sie schon immer klar, dass Sie nicht „nur“ den praktischen Weg als Mediziner gehen wollen, sondern auch den theoretischen in der Lehre?

„Die Lehre hat für mich schon immer einen großen Stellenwert gehabt.  Auch schon während meiner Zeit als Assistenzarzt, als ich Studenten und ihre Doktorarbeiten betreut habe.

Im Moment betreue ich noch immer Studenten als Tutor. Außerdem bin ich im chirurgischen Blockpraktikum an der BG-Klinik Tübingen als Kursleiter eingeteilt. Dadurch steht man im ständigen Austausch mit der nachwachsenden Generation an Medizinern und bleibt so immer »State of the Art«.“

Das heißt, Sie sind gar nicht der „klassische“ Dozent, sondern primär in der praktischen Lehre unterwegs?

„Im Moment schon, ja. Aber natürlich gehört die normale Vorlesung, also der „Frontalunterricht“, auch dazu.“

„Mir persönlich bereiten aber die Seminare, in denen man den Studenten auch praktisch etwas beibringen kann, mehr Freude.“

Dann beantwortet sich die nächste Frage ja quasi schon von selbst: Was gefällt Ihnen besser? Theorie oder Praxis?

„Die Praxisvermittlung geht nicht ohne Theorie. Nur wenn man das theoretische Wissen hat, kann man es auch praktisch umsetzen und weitergeben. Insofern gefällt mir die praktische Arbeit zwar besser, aber die Theorie ist natürlich die Basis des Ganzen.“

Nochmal zurück zum Anfang: Wie kam es überhaupt zur Professur? Und warum an der Eberhard Karls Universität Tübingen?

„Zum Professor wird man generell unter folgenden Voraussetzungen: Man muss Publikationen, also wissenschaftliche Arbeiten in nationalen und internationalen Journalen veröffentlichen, sowie entsprechenden Studentenunterricht nachweisen. Nach Erfüllung dieser Voraussetzungen kann man sich nach Verfassen einer Habilitationsschrift entsprechend habilitieren und so zum Privatdozenten ernannt werden. Wenn man sich im weiteren Verlauf erfolgreich in der Hochschullehre und -forschung bewährt hat, ist es möglich, den Antrag auf die Verleihung der außerplanmäßigen Professur (= APL) zu stellen.

Meine Habilitation habe ich am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München absolviert. Beruflich habe ich dann aber an die BG-Klinik Tübingen gewechselt, die den Lehrstuhl für Unfallchirurgie der Eberhard Karls Universität Tübingen beinhaltet. Dort habe ich mich umhabilitiert, weiterhin Publikationen veröffentlicht, Studentenunterricht gehalten und schlussendlich den APL-Antrag gestellt. Von der Medizinischen Fakultät der Uni Tübingen wurde dann entschieden, dass ich die Voraussetzungen erfülle. Und so bin ich dieses Jahr zum Professor ernannt worden.“

Das klingt nach einem langen Prozess. Wie lange hat dieser denn bei Ihnen gedauert?

„Tatsächlich hat das in meinem Fall länger gedauert als geplant. Meine Habilitation war im Jahr 2014, dann kam 2017 die Umhabilitation und der erste Antrag für die Verleihung des APL war im Januar 2019. Aber durch die Corona-Pandemie und entsprechend ausgefallene Sitzungen war die Ernennung erst im März 2021.“

Aber schlussendlich hat es sich ja gelohnt…

„Natürlich. Es war – alles in allem – ein langer Weg, den ich aber mit viel Freude gegangen bin.“

Was genau unterrichten Sie eigentlich?

„Ich bin ja Orthopäde und Unfallchirurg. Dementsprechend unterrichte ich derzeit das chirurgische Blockpraktikum im Rahmen der unfallchirurgischen Ausbildung. Da geht es letztendlich um Anamneseerhebungen*, das Gipsen, um Osteosynthesetechniken** und vieles mehr. Also quasi um das Handwerkszeug des Unfallchirurgen.“

Hand aufs Herz: Wie kann Sie ein Student so richtig auf die Palme bringen?

„So richtig auf die Palme bringen kann man mich, wenn man Sachen schon mehrfach erklärt hat, dann aber merkt, dass der Studierende nicht aufgepasst hat. Das ist in meinen Augen vergeudete Zeit – für beide Seiten.“

Umgekehrt: Wie kann ein Studierender Ihnen eine Freude machen?

„Freude ist immer dann da, wenn man sieht, dass  man die Studenten für etwas begeistern kann. Am Anfang des Blockpraktikums sind leider oft wenige Studenten dabei, die sich eine Tätigkeit in der Orthopädie und Unfalchirurgie vorstellen können. Glücklicherweise gelingt es mir häufig, das Interesse für diese Fächer zu wecken. Wenn ich es also schaffe, die Faszination für Orthopädie und Unfallchirurgie zu vermitteln, freut mich das.“

Wie war das denn bei Ihnen? Wussten Sie schon immer, dass Sie in die Orthopädie und Unfallchirurgie wollen oder kam diese Erkenntnis auch erst während des Studiums?

„Bei dem Nachnamen dachte natürlich jeder, dass ich Anästhesist werden möchte. (lacht) Aber es hat sich dann schnell gezeigt, dass ich eigentlich die andere Seite der OP- Abdeckung interessanter fand. Ursprünglich hatte ich eine große Faszination zur Bauchchirurgie, aber im Verlauf der Ausbildung hat sich einfach herausgestellt, dass mir die Orthopädie und Unfallchirurgie noch besser gefällt. Denn hier liegt die Faszination darin, dass man in relativ kurzer Zeit schon Erfolgserlebnisse hat. Der Patient wird eingeliefert, operiert und, wenn dann alles gut geht, läuft er auf seinen eigenen Beinen wieder nach Hause.“

Im Vergleich zu Ihrer Zeit als Student: Was hat sich, in Bezug auf das Studium, denn verändert?

„Was sich tatsächlich unterscheidet, ist, dass die Studenten fordernder sind. Außerdem waren die Professoren damals immer noch etwas entrückter gewesen. Das heißt, man hatte fast Scheu gehabt, sie anzusprechen. Das hat sich glücklicherweise gebessert. So will ich auch gar nicht sein.“

„Ich suche den persönlichen Kontakt zu meinen Studenten und möchte für sie auch nahbar und für Fragen offen sein.“

Wenn Sie Ihren Studenten nur eine Sache für ihren beruflichen Werdegang mitgeben könnten, was wäre das?

„Sie müssen das machen, was sie am meisten begeistert. Denn nur was einen begeistert, macht man gut. Das Studium beziehungsweise die Ausbildung dauert lange – und der Berufsalltag noch länger. Und wenn man sich dann etwas ausgesucht hat, was einem keine Freude macht, ist es nur eine Qual.“

Apropos Berufsalltag: Wie kann man sich den Alltag eines Professor Sandmanns vorstellen? Immerhin sind Sie ja Vollzeit an der Sportklinik Ravensburg tätig, aber gleichzeitig auch Professor an der Uni Tübingen. Wie lässt sich das vereinbaren?

„Tatsächlich ist es so, dass das Hauptaugenmerk auf der Sportklinik und der Patientenversorgung liegt. Also Sprechstunden, Operationen und so weiter. Was dann so nebenher läuft, ist das, was man am Abend und in der Freizeit macht. Publikationen schreiben, (virtuelle) Kongressbesuche oder eben die Studentenbetreuung.“

Würden Sie rückblickend den Weg, den Sie gegangen sind, wieder gehen?

„Ich würde es wieder machen, ja. Ich kann mich nun wirklich nicht beschweren. Ich arbeite in einem tollen Team an der Sportklinik Ravensburg, kann meiner Passion für Schulter- und Ellenbogenchirurgie nachgehen und finde darüber hinaus noch Zeit, meine Studenten zu betreuen und wissenschaftliche Arbeiten zu verfassen. Also: Ja, ich würde alles wieder so machen.“

Last but not least: Sind Sie mit der Professur am Ziel Ihrer Träume angekommen? Oder wartet schon der nächste Schritt?

Das Ziel der Träume. Das ist ja schon fast philosophisch. (lacht) Aber man muss immer weiter streben. Denn wenn man aufhört zu träumen, dann gibt es Stillstand. Und Stillstand ist nicht gut. Man muss immer weiter streben, sich neue Ziele stecken und diese verwirklichen. Nur dann wird man schlussendlich glücklich sein.

In meinem Fall heißt das, dass es schon Ideen für weitere Publikationen gibt und auch Kongresse geplant sind. Es wird auf jeden Fall nicht langweilig.“

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*Unter Anamnese versteht man das systematische Verfahren zur Erfassung und Dokumentation von medizinisch relevanten Informationen eines Patienten. Ziel der Anamnese ist es, Informationen zum aktuellen Gesundheitsstand und zur Krankengeschichte des Patienten zu erhalten, um somit eine Diagnose stellen zu können.

**Die Osteosynthese ist ein Verfahren zur operativen Versorgung von Knochenbrüchen. Durch verschiedene Techniken und Hilfsmitteln, z. B. Schrauben, Nägeln oder Platten, werden dabei die Knochen(-fragmente) wieder verbunden.

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